Diabetes-Einmaleins oder eins, zwei, drei?

Diabetes-Einmaleins oder eins, zwei, drei?

Viele unterschiedliche Schicksale und Lebenswege verstecken sich unter dem Überbegriff dieser chronischen Erkrankung. Die Österreichische Diabetes Gesellschaft (ÖDG) informiert über die vielfältigen Diabetesformen und deckt die Diskriminierung von Menschen mit Diabetes auf

Assoz. Prof.in Priv.-Doz.in Dr.in Susanne Kaser von der Universitätsklinik für Innere Medizin I der Medizinischen Universität Innsbruck und Präsidentin der ÖDG erklärt: „Diabetes hat viele Gesichter und unterschiedlichste – meist auch multifaktorielle – Ursachen. Darum ist es so problematisch, wenn Menschen mit Diabetes über einen Kamm geschoren werden und ihnen vorgeworfen wird, dass sie ‚selbst schuld‘ an der Erkrankung wären und sie ja ‚nur den Lebensstil‘ ändern müssten. Zusätzlich führt diese Vereinfachung und die Unkenntnis über die Vielfalt der Diabetesformen zu verspäteten Diagnosen.“

Eine Volkskrankheit mit vielen Gesichtern

Kaser führt weiter aus: „In Österreich ist rund jeder zehnte Mensch von Diabetes betroffen, und viele davon haben noch keine Diagnose erhalten. Die Dunkelziffer wird auf über 30 Prozent geschätzt. Dabei wäre eine frühzeitige Diagnose und Behandlung bei allen Diabetesformen der beste Schutz gegen die oft lebensgefährlichen Folgen dieser Erkrankung. Häufig erfolgt die Diagnose als Zufallsbefund im Rahmen einer Vorsorgeuntersuchung. Oft wird die Erstdiagnose erst während eines kardiovaskulären Ereignisses (Herzinfarkt, Schlaganfall) gestellt. Diabetes kann jeden in jedem Alter treffen.“

Diabetes mellitus Typ 1

Die Autoimmunerkrankung Diabetes mellitus Typ 1 manifestiert sich meist im Kindes- oder Jugendalter. Fünf bis zehn Prozent aller Diabeteserkrankten haben diese Form. „In Österreich wird die Diagnose Diabetes bei Kindern und Jugendlichen für gewöhnlich zu spät gestellt. Rund 25 Prozent der Kinder und Jugendlichen mit Diabetes mellitus Typ 1 werden mit einer lebensgefährlichen Stoffwechselentgleisung, der sogenannten Diabetischen Ketoazidose, ins Krankenhaus gebracht. Dies ist unter anderem auf das mangelnde Bewusstsein für die Krankheit und deren Warnsignale zurückzuführen“, berichtet Assoz. Prof.in PD OÄ Dr.in Sabine Hofer, Kinderärztin an der Medizinischen Universität Innsbruck und Vorstandsmitglied der ÖDG. Typische Symptome sind gesteigertes Durstgefühl, vermehrte Urinmenge, Gewichtsverlust, Sehstörungen, Müdigkeit und nächtliches Einnässen.

Hofer betont auch den sozialen Druck, der durch das Unwissen um Diabetes entsteht: „Diabetes mellitus Typ 1 hat nichts mit einer Lebensstilerkrankung zu tun. Die Betroffenen müssen ein Leben lang mit einer Insulintherapie umgehen lernen und ein komplexes Selbstmanagement in ihr Leben integrieren. Da hilft es wenig, wenn sie aus ihrem sozialen Umfeld noch zusätzlich Diskriminierung erfahren. Gerade Kinder und Jugendliche leiden besonders, wenn sie mit unbedachten und falschen Äußerungen konfrontiert werden.“

LADA-Diabetes

Auch im Erwachsenenalter kann Diabetes als Autoimmunerkrankung auftreten. Hier spricht man vom LADA (Late autoimmune diabetes in adults). Dieser ist meist von weniger stark ausgeprägten Symptomen begleitet, die auch weniger akut einsetzen. Gerade daraus resultiert wieder die Gefahr, dass die Erkrankung lange unentdeckt bleibt und im gesamten Körper Schäden verursacht.

Diabetes mellitus Typ 2

Mehr als 90 Prozent aller Menschen mit Diabetes leiden an Diabetes mellitus Typ 2. Diese Erkrankung ist häufig mit Übergewicht, Bluthochdruck und erhöhten Blutfetten assoziiert, kann aber auch bei normalgewichtigen Patienten auftreten. Ein deutlich erhöhtes Risiko für Diabetes mellitus Typ 2 haben Personen deren Eltern ebenfalls daran erkrankt sind.

Kaser erklärt: „Früher wurde diese Erkrankung Altersdiabetes genannt. Heute trifft sie Menschen mitten im Leben. Das durchschnittliche Manifestationsalter liegt um das 50. Lebensjahr. Da diese Erkrankung lange Zeit asymptomatisch verläuft, kommt auch bei dieser häufigen Form die Diagnose oft viel zu spät. Falls Symptome auftreten sind diese Müdigkeit, Sehstörungen, Haut- oder Harnwegsinfektionen.“

MODY-Diabetes

Eher selten tritt eine rein erbliche Form des Diabetes auf, die MODY abgekürzt wird (Maturity Onset Diabetes of the Young). Sie entsteht im frühen Erwachsenenalter meist bei Normalgewichtigen, die aber eine starke erbliche Vorbelastung haben. Bei gehäuftem Auftreten von Diabetes in einer Familie über mindestens drei Generationen ist unbedingt an das Vorliegen eines MODY-Diabetes zu denken und eine genetische Abklärung und Beratung zu empfehlen.

Schwangerschaftsdiabetes

Gestationsdiabetes betrifft etwa 10 Prozent aller Schwangeren und wird im Rahmen des Zuckerbelastungstests diagnostiziert, der zwischen der 24. und 28. Schwangerschaftswoche verpflichtend durchgeführt wird. Wenn der Schwangerschaftsdiabetes nicht ausreichend behandelt wird, entstehen Gefahren für Mutter und Kind. Für Mütter besteht ein erhöhtes Risiko der Entwicklung eines Diabetes mellitus Typ 2. Kinder kommen mit erhöhtem Geburtsgewicht und zusätzlichen Gesundheitsrisiken für ihr Leben zur Welt.

Prädiabetes

Mit dem Begriff des Prädiabetes beschreibt die Medizin Vorstadien des Diabetes mellitus (großteils Typ 2), in denen bereits ein erhöhter Nüchternblutzucker (IFG) oder eine gestörte Glukosetoleranz (IGT) vorliegen, aber noch kein manifester Diabetes besteht. Hier kann mit einer Lebensstiländerung viel erreicht werden um die chronische Krankheit zu vermeiden.

Weitere seltenere Diabetesformen

Pankreopriv ist die medizinische Bezeichnung für einen Mangel an Bauchspeicheldrüsengewebe. Die Ursache für den pankreopriven Diabetes ist die mangelnde Insulinproduktion nach Pankreasoperationen, chronischen Pankreasentzündungen oder Pankreastumoren. Der mitochondriale Diabetes ist dagegen wieder eine vererbte Form und greift die Betazellen an. Sogar Medikamente können einen Diabetes auslösen, am häufigsten im Rahmen von Kortisontherapien, aber auch durch andere Substanzen, die das Immunsystem unterdrücken. Insgesamt werden bis zu mehr als 30 verschiedene Formen bzw. Ursachen unterschieden. Kaser erklärt: „Ärztinnen und Ärzte sind aufgerufen die Vielfalt und Komplexität des Diabetes ernst zu nehmen. Jeder Mensch mit Diabetes muss in seiner Individualität erkannt werden und eine personalisierte Behandlung erhalten.“

Abschließend unterstreicht die ÖDG Präsidentin: „Alle Diabetesformen laufen darauf hinaus, dass sie chronische Krankheiten sind, mit denen Menschen lernen müssen, ein ganzes Leben zu leben. Da ist es wichtig, dass sie nicht verunglimpft und diskriminiert werden, sondern ihnen von ihrem Umfeld – sei es in der Familie oder am Arbeitsplatz – Respekt und Unterstützung geboten wird.“

Quelle: Public Health PR; Mag. Michael Leitner, MAS / ots  //  Fotocredit: Wild-und-Team-Salzburg  //  Fotograf: wildbild/Foto: Wildbild

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