Einigkeit in Salzburg - EU-Erweiterung auf den Westbalkan muss Priorität bleiben

Einigkeit in Salzburg - EU-Erweiterung auf den Westbalkan muss Priorität bleiben

17. Salzburg Europe Summit 2021. Im Bild Minister Zoran Popov (Nordmazedonien), Minister Josip Brkic (BiH), Ministerin Megi Fino (ALB), Christian Wehrschütz, Ministerin Karoline Edtstadler, Jadranka Joksimovic (SRB), Minister Dorde Radulovic (Montenegro), Franz Schausberger (IRE)

Fulminanter Einstieg in den Salzburg Europe Summit 2021: Vor rund 250 Festgästen im Salzburg Congress eröffnete Univ. Prof. Dr. Franz Schausberger, Vorsitzender des Instituts der Regionen Europas (IRE) den bereits 17. Summit, der auch in diesem Jahr – unter Einhaltung strenger Covid-Schutzregeln – Gäste aus ganz Europa in die Mozartstadt brachte.

In seiner Eröffnungsrede ging Schausberger spezifisch auf das Generalthema „Europa und Frieden“ ein und betonte die Notwendigkeit für das „Comeback Europas“ nach anderthalb Jahren Pandemie mitsamt ihren gravierenden gesellschaftlichen, politischen, wirtschaftlichen, kulturellen und gesundheitlichen Auswirkungen. Es sei dringend notwendig, die richtigen Schritte für ein Comeback, einen Wiederaufbau und zum Teil auch einen Neustart Europas zu setzen. „Der Begriff „Comeback“ darf keinesfalls eine Rückkehr zum status quo ante, also zu allem, wie es vor Corona war, bedeuten“, so Schausberger, der in diesem Kontext direkt zum Westbalkan-Panel des Summits überleitete. Gerade jetzt brauche es neue Visionen und eine neue Agilität in der Erweiterungspolitik der Europäischen Union, betonte der frühere Landeshauptmann.

In ihrer darauffolgenden Keynote Speech forderte Europaministerin Karoline Edtstadler einen neuen Dialog über den Erweiterungsprozess am Westbalkan. „Es liegt an uns, den Prozess zu beschleunigen“, so Edtstadler. Die Zukunft des Westbalkan sei schließlich auch die Zukunft der Europäischen Union. Österreich unterstütze die sechs Westbalkanstaaten, die noch nicht EU-Mitglieder sind in ihrem aktuellen Stadium des Vor-Beitritts. „Es ist unsere unmittelbare Nachbarschaft und von hoher Bedeutung für Österreich“, betonte die Europaministerin. Die Frage sei entscheidend in Bezug auf Sicherheit und Migration, aber auch wirtschaftlich – immerhin ist Österreich Top-Investor in der Region.

Es brauche drei konkrete Punkte, wie es nun weitergehen solle, erläuterte Edtstadler: „Erstens müssen wir verstärkt Möglichkeiten finden, um zu zeigen, dass die Westbalkanländer auch in schwierigen Zeiten auf uns voll zählen können. Zweitens müssen wir ihnen beistehen, ihre Probleme selbst zu lösen – vergleichbar mit Mediatoren. Drittens müssen wir, solange der Beitrittsprozess nicht Fahrt aufgenommen hat, die Zusammenarbeit in Bereichen wie Studentenaustausch, Migrationspolitik und kulturelles vertiefen“. Schließlich zitierte Edtstadler noch EU-Kommissar Johannes Hahn: „Entweder wir exportieren Stabilität oder wir importieren Instabilität“.

Ins gleiche Horn stieß auch der nordmazedonische Staatssekretär für Äußeres, Zoran Popov. Für die Bürger Nordmazedoniens sei es nun wichtig, klare Signale und einen Pfad zu sehen. „Wir sind weit entfernt davon, perfekt zu sein, aber wir haben sehr viel getan, damit die Beitrittsgespräche beginnen können. Wir erfüllen alle Vorbedingungen, wir haben sogar unseren Namen geändert“. Sein Land habe zwischen 2006 und 2016 mehr als eine halbe Million Einwohner verloren – und weitere 30 Prozent der Bevölkerung, vor allem junge Menschen wären bereit, auszuwandern, wenn es nicht durch einen EU-Beitritt bald bessere Perspektiven gäbe, zeigte Popov auf.

Josip Brkic, stellvertretender Außenminister Bosnien und Herzegowinas, verwies auf das Versprechen, das die Länder der Region einst erhalten haben: „Vor 18 Jahren hieß es, wir holen euch alle in die EU. Bis heute hat das nur Kroatien geschafft“, so Brkic. „Wenn es keine klare Sichtbarkeit für die Bedeutung der Erweiterung gibt, stellt sich auch die Frage, ob die EU-Außenpolitik überhaupt ein brauchbarer strategischer Partner für globale Politik sein kann“.

Ähnliches war von Megi Fino, stellvertretende Ministerin für Europa und Äußeres in Albanien, zu hören. „Wir haben die Schlüsselpunkte erfüllt. Jetzt erwarten wir uns auch die Teilnahme an der Konferenz zur Zukunft Europas“. Die aktuellen Themen – etwa Coronapandemie, Recovery, Klimawandel– behandle man sowieso, „aber der Prozess muss wieder glaubwürdig werden. Wir müssen sehen, dass der Beitrittsprozess eine Autobahn wird und keine Sackgasse“.

Per Livevideo zugeschaltet war Tanja Miščević, stv. Generalsekretärin Region Cooperation Council RCC. Sie erläuterte die Fortschritte und Lerneffekte, die sich aus der regionalen Kooperation ergeben hätten: „Ein Beispiel dafür ist, dass wir nun nicht mehr eigene nationale Standards verwenden, sondern in der Zusammenarbeit auf EU-Standards in allen Bereichen setzen.“ Auch anhand der Fortschritte speziell in Serbien und Montenegro könnten die anderen Staaten lernen, worauf es ankommt.

Montenegros Außenminister Đorđe Radulović zitierte den Philosophen Hegel: „Nur das Ganze ist wichtig“, was umgelegt auf die Politik so viel heiße wie „Die EU wird ohne den Westbalkan nie vollendet sein“. Dass der Beitrittsprozess sich so zäh gestaltet, fand bei ihm kein Verständnis: „Wir haben vier Jahre gewartet, um in entscheidenden Verhandlungskapiteln erfahren, wo wir stehen. Aber ohne diese Benchmarks können wir nicht weitermachen“.

Einen größeren Bogen spannte noch Serbiens Ministerin für EU-Integration, Jadranka Joksimović: „Die Erweiterung sollte kein Machtspiel sein, sondern durch die richtigen Narrative unterstützt werden und zu einer europäischen Identität führen. Seit 1990 sagen wir, es gibt kein friedliches Europa, wenn es nicht von Nord bis Süd und West bis Ost vereint ist“, verwies sie auf die Bedeutung einer glaubwürdigen Erweiterungspolitik seitens der EU-Staaten.

Franz Schausberger betonte, dass nicht nur seitens der sechs Westbalkanstaaten, sondern vor allem auch seitens der EU-Mitgliedsstaaten neue Schritte zur Erweiterung gesetzt werden müssen. Es sei völlig inakzeptabel, dass manche westeuropäische Staaten vor allem aus innenpolitischen Rücksichten den Erweiterungsprozess bremsen. Total unverständlich ist die Blockade Bulgariens gegenüber Nordmazedonien. Nordmazedonien wird seit Jahren hingehalten, obwohl es die schmerzhafte Namensfrage gelöst hat. Ähnliches gilt für Albanien und Serbien, die in letzter Zeit namhafte Fortschritte gemacht haben beziehungsweise für die Frage der Visaliberalisierung für Kosovo.

Quelle: Stefan Haböck IRE Medien & PR / ots  //  Fotocredit: Franz Neumayr

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