Krisen können nur unter Einbindung der Parlamente bewältigt werden

Krisen können nur unter Einbindung der Parlamente bewältigt werden

Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka hält Eröffnungsrede bei der virtuellen 5. IPU-Weltkonferenz der ParlamentspräsidentInnen

"Viele Demokratien mussten in der Corona-Krise harte Entscheidungen treffen, als es um die Einschränkung von Grundfreiheiten ging. Solche Situationen sind ein Test für die Resilienz unserer demokratischen und rechtsstaatlichen Strukturen. Krisen können nur unter Einbindung der Parlamente bewältigt werden. Das ist für mich eine der zentralen Lehren aus der Corona-Pandemie", unterstrich Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka bei der virtuellen 5. IPU-Weltkonferenz der ParlamentspräsidentInnen, die er heute gemeinsam mit IPU-Präsidentin Gabriela Cuevas Barron und UNO-Generalsekretär Antonio Guterres eröffnete.

Die Corona-Pandemie habe sich seit ihrem Ausbruch rasend schnell über den Globus verbreitet. Sie sei damit zu einer globalen Herausforderung geworden, so Sobotka, "für unsere Gesundheitssysteme, für unsere Volkswirtschaften und für die soziale Absicherung der Menschen". Sie bedeute aber auch eine Bewährungsprobe für die parlamentarische Demokratie und die ihr zugrundeliegenden Werte. Gleichzeitig nehmen Parlamente als Hüter der Demokratie und Rechtsstaatlichkeit für Sobotka eine Schlüsselrolle bei der Bewältigung aktueller Herausforderungen ein. "Daher ist es von entscheidender Bedeutung, dass wir die Corona-Pandemie auch als Chance nutzen, uns den Wert und die Stärke einer funktionierenden parlamentarischen Demokratie bewusst zu machen", so der Appell des Nationalratspräsidenten an seine AmtskollegInnen.

IPU-Präsidentin Cuevas Barron: Krisen brauchen den Schutz der Demokratie und die Parlamente als "Wächter des Rechtsstaats"

Auch wenn die virtuelle Begegnung nie eine persönliche ersetzen könne, sei es angesichts der Pandemie besonders wichtig, auf interparlamentarischer Ebene zu handeln und internationale Vereinbarungen wie die SDGs in Umsetzung zu bringen, betonte die Präsidentin der Interparlamentarischen Union Gabriela Cuevas Barron und dankte Nationalratspräsident Sobotka für die tatkräftige Unterstützung bei der Abhaltung der virtuellen Konferenz. Nicht nur die COVID-19-Krise, auch die Klimakrise habe schmerzliche Auswirkungen auf Wirtschaft, Gesundheit und den Sozialbereich, wobei Geflüchtete und von Armut betroffene Menschen keinesfalls zurückgelassen werden dürften, so die IPU-Präsidentin. Krisen bräuchten den Schutz der Demokratie und die Parlamente als "Wächter des Rechtsstaats". Auf Grundlage von Toleranz und Empathie gelte es ihr zufolge nun, gemeinsam Lösungen zu finden und die globale Gemeinschaft der nationalen Parlamente so zu gestalten, dass sie in der Lage ist, globale Probleme zu lösen.

Neben der Stärkung des Multilateralismus machte sich Cuevas Barron außerdem für Geschlechtergleichstellung stark. Unter Bezugnahme auf das 25-jährige Bestehen der Pekinger Deklaration appellierte sie an die ParlamentspräsidentInnen aller Welt, die Anstrengungen im Bereich der Gleichberechtigung von Frauen und Mädchen zu beschleunigen. Solange nicht die Hälfte der VolksvertreterInnen weiblich sind, wären Parlamente nicht wahrlich demokratisch, meinte sie. Auch angesichts des weltweit geringen Anteils an jungen ParlamentarierInnen sprach sie sich für inklusivere und repräsentativere Demokratien aus.

UNO-Generalsekretär Guterres: COVID-19-Pandemie ist ein Weckruf

UNO-Generalsekretär Antonio Guterres ging in seinen Eröffnungsworten vor allem auf die COVID-19-Pandemie und die Klimakrise ein. Die Pandemie habe gezeigt, wie wichtig Multilateralismus und internationale Zusammenarbeit seien und gleichzeitig die Defizite in diesen Bereichen offengelegt. Wie schnell man aus der gegenwärtigen Krise wieder herauskommt, hängt seiner Ansicht nach in diesem Sinn nicht nur von der Solidarität ab, die man einander zeige, sondern auch davon, inwieweit Politik, Wissenschaft und Wirtschaft in der Lage sind, grenzüberschreitend zu kooperieren.

Die Welt sei allerdings schon vor dem Coronavirus auf wackeligem Fundament gestanden, hob Guterres hervor und wies in diesem Zusammenhang etwa auf steigende Ungleichheit, zunehmende Umweltbeeinträchtigungen, unzureichende Gesundheitssysteme und soziale Spannungen hin. Die Pandemie habe bestehende Ungerechtigkeiten und die Verletzlichkeit der Welt nur besonders deutlich zu Tage gebracht. Durch den Klimanotstand drohten noch weitaus größere Schäden und Umwälzungen, zumal zwar das Klima-Bewusstsein gestiegen sei, die bislang ergriffenen Maßnahmen aber nach wie vor nicht ausreichten, um die vereinbarten Klimaziele zu erreichen.

Guterres appellierte in diesem Sinn an alle Länder, bei der Bewältigung der COVID-19-Pandemie auf klimafreundliche Maßnahmen wie nachhaltiges Wachstum und grüne Jobs zu achten und keine Wirtschaftshilfen zu beschließen, die den Pariser Klimazielen entgegenlaufen. Zudem gelte es, im Zuge der Regeneration auch bei anderen Quellen der Instabilität anzusetzen und schwerwiegende Ungleichheiten zu beseitigen. Es brauche auf nationaler Ebene einen neuen Sozialvertrag, die Pandemie sei ein Weckruf gewesen. Der UNO-Generalsekretär sieht die nationalen Parlamente überdies gefordert, Versuche zu unterbinden, die Pandemie für eine Einschränkung der Menschenrechte oder die Unterdrückung der Bevölkerung zu missbrauchen.

Pessimistisch ist Guterres nicht, sondern vielmehr, wie er sagte, voller Hoffnung. Schließlich habe sich in den letzten Monaten auch gezeigt, was angesichts eines Notfalls alles getan werden könne.

IPU-Weltkonferenz 2021 in Wien

ParlamentspräsidentInnen aus der ganzen Welt treffen heute und morgen virtuell zusammen, um zu erörtern, wie die Parlamente auf die Pandemie reagieren können und um sich über Themen wie Global Governance, nachhaltige Volkswirtschaften und Klimanotstand auszutauschen. Die Weltkonferenz sollte heuer ursprünglich in Wien stattfinden. Aufgrund der COVID-19 Pandemie wurde die physische Konferenz auf 2021 verschoben.

"Die Parlamente wollen mit diesem Austausch in virtueller Form ein Zeichen setzen, dass die multilaterale Zusammenarbeit der Parlamente auch und gerade in Krisenzeiten funktioniert", so Sobotka. Videokonferenzen und digitale Diplomatie könnten die persönliche Begegnung und den direkten Dialog nicht ersetzen, würden aber die Möglichkeit bieten, sich unter speziellen Umständen auszutauschen und die Zusammenarbeit der Parlamente mit Inhalt und Leben zu füllen.

Auf dem Programm des Welttreffens stehen Herausforderungen wie COVID-19 und die Klimakrise. Auch die Aufgaben von Parlamenten bei der Stärkung von Frauen und Kindern sowie der Teilnahme der Jugend am politischen Entscheidungsprozess, Wirtschaft, Wissenschaft, Migration und Mobilität sowie die Rolle von Parlamenten im 21. Jahrhundert werden thematisiert. Die Vielfalt dieser Themen sei ein untrügliches Zeichen, wie wichtig und bereichernd der multilaterale parlamentarische Austausch für die Arbeit der Parlamente weltweit ist, so Sobotka.

Organisiert wurde der virtuelle Teil der 5. IPU-Weltkonferenz von der Interparlamentarischen Union (IPU) in Zusammenarbeit mit dem österreichischen Parlament und den Vereinten Nationen. Die Einladung erging an mehr als 250 ParlamentspräsidentInnen, ParlamentarierInnen, ExpertInnen und VertreterInnen der UNO, mit der Zielsetzung, die internationale parlamentarische Gemeinschaft zu mobilisieren, um Maßnahmen gegen die Gesundheits-, Klima- und Wirtschaftskrisen zu ergreifen, mit denen sich die Menschen und unser Planet konfrontiert sehen.

Das Welttreffen der ParlamentspräsidentInnen findet alle fünf Jahre statt, zum ersten Mal im Jahr 2000. Die ParlamentspräsidentInnen haben sich dreimal am UNO-Hauptsitz in New York (2000, 2005 und 2015) sowie einmal am zweiten UNO-Sitz Genf (2010) getroffen. 

Quelle: Pressedienst der Parlamentsdirektion Parlamentskorrespondenz / ots  //  Fotocredit: © Parlamentsdirektion / Thomas Topf

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