Neurologenkongress widmet sich auch Long COVID

Neurologenkongress widmet sich auch Long COVID

Jeder 2. Europäer hat neurologische Beschwerden. Im Bild Univ. Prof. Dr. Thomas Berger, Präsident des lokalen Organisationskomitees des europäischen Neurologenkongresses, Vorstandsmitglied der EAN (European Academy of Neurology), Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Neurologie (ÖGN) und Leiter der Universitätsklinik für Neurologie an der Medizinischen Universität Wien

Neurologische Erkrankungen sind generell die dritthäufigste globale Erkrankungsart, auch durch die Pandemie nehmen sie stetig zu. COVID-19-Erkrankte können an Geruchsstörungen bis hin zu Schlaganfällen leiden. Mit Long COVID zeigt sich auch ein neues Krankheitsbild bei Genesenen. Generell nehmen aufgrund der stärkeren Belastung auch bei nicht an Corona erkrankten Menschen Kopfschmerzen und Schlafstörungen zu. Beim europäischen Neurologenkongress der European Academy of Neurology (EAN) werden vom 19. bis 22. Juni im Austria Center Vienna moderne Behandlungsansätze und Präventionsmaßnahmen von neurologischen Beschwerden diskutiert.

„Jeder zweite Europäer leidet an neurologischen Beschwerden. Neurologische Erkrankungen sind damit – nach kardiologischen und onkologischen Leiden – die dritthäufigste Erkrankungsart. Die Bandbreite reicht von Kopfschmerzen und Schlafstörungen über neurodegenerative Erkrankungen wie Demenz und Alzheimer bis hin zu Schlaganfällen. Und wir sehen, dass die neurologischen Probleme im Zuge der Pandemie sowohl bei an COVID-19 erkrankten und genesenen Personen als auch bei Menschen, die nun mit stärkeren Belastungen zu kämpfen haben, zunehmen,“ so Univ. Prof. Dr. Thomas Berger, Präsident des lokalen Organisationskomitees des europäischen Neurologenkongresses, Vorstandsmitglied der EAN (European Academy of Neurology), Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Neurologie (ÖGN) und Leiter der Universitätsklinik für Neurologie an der Medizinischen Universität Wien.

Neurologische Beschwerden bei COVID-19-Erkrankung

60 bis 80 Prozent der an COVID-19 erkrankten Personen leiden an Geruchs- und Geschmacksstörungen. „Für die meisten COVID-Patienten sind diese Geruchs- und Geschmacksstörungen temporär und vergehen nach 8 bis 10 Tagen. Bei einem Fünftel kann dieses neurologische Problem aber auch langanhaltend – manchmal sogar Monate lang – sein,“ erklärt Berger. Missgerüche, z. B. von Aas oder Moder, sind höchst unangenehm, aber Ausdruck der Regeneration des Geruchsinns. Je nach Schweregrad der COVID-Erkrankung können auch andere neurologische Komplikationen wie Verwirrtheit, Bewusstseinsstörungen und sogar Schlaganfälle auftreten. „Bis zu 3 % der hospitalisierten Patienten erleiden im Zuge von durch COVID-19 ausgelösten Gerinnungsstörungen Schlaganfälle,“ erklärt der Neurologe. In sehr seltenen Fällen kann die COVID-Erkrankung auch neurologische Erkrankungen wie eine Entzündung des Gehirns (Enzephalitis) oder eine Autoimmunerkrankung, die das Gehirn, Rückenmark oder das peripheren Nervensystems betrifft, auslösen.

Bis zu 30 % der Genesenen leiden an neurologischen Folgeerscheinungen

Ist eine COVID-19-Erkrankung überstanden, leiden bis zu 30 % der Genesenen an Folgeerscheinungen neurologischer Komplikationen (Schlaganfall, länger andauernde Geruchsstörungen), die im Zuge der Corona- Erkrankung aufgetreten sind. „Zusätzlich gibt es ein neuartiges Krankheitsbild, das „Post COVID“ oder „Long COVID“ genannt wird,“ so Berger.

Long COVID – ein komplexes neues Krankheitsbild

„Typische neurologische Long COVID-Symptome sind Schlafstörungen, subjektive kognitive Störungen wie Gedächtnisstörungen, Belastungsintoleranzen, erhöhte Ermüdbarkeit und Störungen des autonomen Nervensystems, die beispielsweise ein erhöhtes Schwindelgefühl auslösen können,“ erklärt der Neurologe. Diese entstehen bis zu 12 Wochen nach einer COVID-Erkrankung oder bleiben unmittelbar danach bestehen. Noch 6 Monate nach einer Erkrankung leiden nach derzeitigem Wissenstands rund 10 Prozent der ambulant behandelten Personen an diesen Langzeit-Symptomen. Auch Menschen, die einen milderen COVID-Verlauf hatten, können unter Long COVID leiden.

Corona-Pandemie verstärkt neurologische Beschwerden

„Wir merken, dass nicht nur Menschen, die an Corona erkrankten, mit neurologischen Beschwerden und Folgesymptomen zu kämpfen haben, generell steigen in der Pandemie die neurologischen Beschwerden in der Bevölkerung an,“ so Berger. Ob Menschen, die in Intensivstationen arbeiten oder Eltern, die sich mit Home Schooling und Home Office durchs Leben kämpfen: Die Restriktionen, Ängste, neuen und stärkeren Belastungen drücken sich verstärkt in körperlichen Beschwerden aus. Schlaf- und Kopfschmerzen sind typischer Ausdruck dieser Belastungssituation und nehmen stark zu.

Moderne Behandlungsansätze bei Kopfschmerzen und Schlafstörungen

„Da wir bei dem Phänomen Long COVID noch in den Kinderschuhen stecken, können hier die verschiedenen neurologischen Beschwerden derzeit nur symptomatisch behandelt werden. In anderen Bereichen – wie den Kopfschmerzen und Schlafstörungen – haben wir gute Erfahrungen, um nicht nur symptomatisch, sondern auch kausal therapieren zu können,“ erklärt Berger. 10 Prozent der Österreicher leiden beispielsweise an Migräne, 15 Prozent an Spannungskopfweh. Kopfschmerzen und Schlafstörungen können, müssen aber nicht in einen kausalen Zusammenhang stehen. Tagebücher und neue medizinische Apps sind einfache und effektive Helfer, die Einblick in die Häufigkeit und Zusammenhänge von Kopfschmerzen und Schlaflosigkeit geben. Die Schlafmedizin und Kopfschmerzambulanzen verfeinern die Diagnostik. „Ziel ist es hier, kausale Zusammenhänge herauszufinden und vorbeugend zu agieren, sodass Migräneanfälle und Spannungskopfschmerzen gar nicht mehr oder viel seltener auftreten,“ so Berger.

Prävention macht Sinn

Viele neurologische Beschwerden könnten verhindert werden. Gelten in Bezug auf COVID-19 Hygienemaßnahmen, Testen und Impfung als wesentliche Präventionsmaßnahmen, zeigt der Neurologe auf, wie effektiv Verhaltensänderungen in der Prävention anderer neurologischer Erkrankungen sein können. „Wir wissen beispielsweise, dass durch rechtzeitige Risikovermeidung und Verhaltensänderungen 30-50 % der Schlaganfälle und 20-30 % der Demenzerkrankungen vermieden werden könnten,“ betont Berger.

Quelle: Austria Center Vienna Mag. (FH) Claudia Reis, MA Stv. Pressesprecherin / ots  //  Fotocredit: © ÖGN

Mehr über den Autor

Das könnte Sie interessieren!

Österreich schlägt Norwegen mit Carlsen

13. 11. 2023 | AN24.at

Österreich schlägt Norwegen mit Carlsen

Im Bild Valentin Dragnev und Magnus Carlsen

Große Motivation bei internationaler Dialogkonferenz von Bundesjugendvertretung und Afrikanischer Union in Wien

13. 11. 2023 | AN24.at

Große Motivation bei internationaler Dialogkonferenz von Bundesjugendvertretung und Afrikanischer Union in Wien

JUUN-Dialogkonferenz von BJV und Afrikanischer Union in Wien: Rund 60 junge Menschen aus Österreich und Ländern der Afrikanischen Union nahmen an der JUUN-...

Naturkundliche Sammlungen dokumentieren Verlust der Biodiversität

13. 11. 2023 | AN24.at

Naturkundliche Sammlungen dokumentieren Verlust der Biodiversität

Dr. Anja Palandačić beim Extrahieren und Analysieren des Suess' Zitterrochens

Österreich und Großbritannien gemeinsam gegen illegale Migration und Terrorismus

02. 11. 2023 | AN24.at

Österreich und Großbritannien gemeinsam gegen illegale Migration und Terrorismus

Innenminister Gerhard Karner und Innenministerin Suella Braverman unterzeichneten am 2. November 2023 ein polizeiliches Kooperationsabkommen 

Sicherheitsbudget 2024: 3.000 Körperkameras und neue Hubschrauber

26. 10. 2023 | AN24.at

Sicherheitsbudget 2024: 3.000 Körperkameras und neue Hubschrauber

V.l.n.r.: Direktor der LP OÖ, Andreas Pilsl, Innenminister Gerhard Karner, Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit, Franz Ruf