Was lehrt uns Covid-19 für zukünftige Pandemien?

Was lehrt uns Covid-19 für zukünftige Pandemien?

Apothekerverband lud beim Europäischen Forum Alpbach zur Diskussion. Im Bild Mag. pharm. Jürgen Rehak Präsident des Österreichischen Apothekerverbands, Wien - DI Dr. Christa Wirthumer-Hoche Leiterin des Geschäftsfeldes AGES Medizinmarktaufsicht, Wien - Dr. Martin Eichtinger Landesrat für Wohnbau, Arbeit und Internationale Beziehungen, Linz - Dr. Gerald Bachinger Patientenanwalt, Wien

Der Erfolg der Eindämmung des Coronavirus hierzulande kann sich sehen lassen – gemeinsam wurde verhindert, dass das Gesundheitssystem in Österreich kollabiert und viele Menschen an diesem noch wenig erforschten Virus sterben. „Der Mut der Bundesregierung war groß, die weitreichende Maßnahme eines Lockdown zu setzen. Aber alle haben an einem Strang gezogen und der Erfolg ist das Ergebnis dieser gemeinsamen Kraftanstrengung Österreichs“, fasst der niederösterreichische Landesrat Martin Eichtinger die Situation aus Sicht der politischen Verantwortungsträger zusammen. Doch noch ist die Gefahr einer neuerlichen Ausbreitung von Covid-19 leider nicht gebannt und weitere Pandemien sind laut Experten in den kommenden Jahrzehnten ebenfalls zu erwarten. „Die Apothekerinnen und Apotheker trugen in den Shutdown-Monaten des vergangenen Frühjahrs maßgeblich zur Stabilisation und Sicherheit des österreichischen Gesundheitssystems bei und haben dabei auch viel gelernt. Sie leisteten mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gewissenhaft und mit hohem Pflichtbewusstsein ihren Dienst für die Menschen und ihre Gesundheit. Sie agierten zwischen anfangs großer Nachfrage, drastischen Umsatzeinbrüchen in weiterer Folge, den Herausforderungen durch die als Notlösung eingeführten rezeptlosen Verschreibungsformen und dem Minimieren des Infektionsrisikos durch Schutzvorkehrungen und getrennte Teams in der Apotheke“, fasst Jürgen Rehak, Präsident des Österreichischen Apothekerverbands die Erfahrungen zusammen.

Eine zum Ende der Lockdown-Phase durchgeführte repräsentative Online-Umfrage (Sample: 600 Teilnehmer) hat gezeigt: Apotheken waren die meistgenutzten Anlaufstellen in Gesundheitsfragen während dieser Monate der Ausgangsbeschränkungen. 78 Prozent der Befragten haben während der Krise eine gute Erfahrung mit der Apotheke gemacht, nur 5 Prozent eine negative und nur 17 Prozent hatten keinen Kontakt mit einer Apotheke in dieser Zeit. In diesem Zusammenhang auffällig ist, dass ganze 66 Prozent der Befragten in diesen Wochen keinerlei Kontakt zu einem Arzt oder Ärztin hatten – was insofern nicht weiter wundert, dass ebenso 66 Prozent der Befragten angaben, ihre Ordination hatte während der Krisenwochen nicht oder nur mit Einschränkungen geöffnet. Ausgehend von dieser tragenden Rolle in der Krise nahm der österreichische Apothekerverband die Gesundheitsgespräche des Europäischen Forum Alpbach 2020 zum Anlass, gemeinsam mit Partnern im System eine erste Zwischen-Bilanz zu ziehen und einen Ausblick zu wagen. Teilnehmer der Diskussion waren: Landesrat Dr. Martin Eichtinger (NÖ Landesrat für Wohnen, Arbeit und internationale Beziehungen), DI Dr. Christa Wirthumer-Hoche (Leiterin AGES Medizinmarktaufsicht), Dr. Gerald Bachinger (Leiter NÖ Patienten- und Pflegeanwaltschaft) und Mag. pharm. Jürgen Rehak (Präsident Österreichischer Apothekerverband).

Vier zentrale Lehren aus der Coronakrise wurden im Rahmen der Diskussion gezogen:

1. Die Vor-Ort-Versorgung ist ein wertvolles Gut und muss gefördert werden

Die Stärkung der Vor-Ort-Versorgung in ganz Österreich ist das Gebot der Stunde – das betrifft die Nahversorgung durch Geschäfte des täglichen Bedarfs ebenso wie die Gesundheitsversorgung und speziell die Versorgung mit Medikamenten. „Das flächendeckende System der öffentlichen Apotheke hat sich in der Krise bewiesen und darf keinesfalls ausgedünnt werden. In anderen europäischen Ländern, in denen der Arzneimittelmarkt liberalisiert wurde, haben Apotheken-Ketten mangels Umsätze einfach für ein paar Wochen ihre Filialen geschlossen. Und auch die Schwächen des Online-Handels wurden in der Krise klar sichtbar – Lieferungen von rezeptfreien Medikamenten haben sich tagelang verzögert oder kamen überhaupt nicht an. Die Apotheken waren über die letzten Monate durchgehend und ausnahmelos in ganz Österreich geöffnet und immer als Erstanlaufstelle in allen Gesundheitsfragen zur Verfügung“, betont Verbandspräsident Rehak.

2. Medikamentenversorgung: Abhängigkeiten müssen ab- und Lager aufgebaut werden

Die Ursachen für Lieferengpässe bei Arzneimitteln sind zwar mehrdimensional, einer der wichtigsten Gründe liegt aber in der verlagerten Produktion. In unserer globalisierten Welt wird der Großteil der Medikamente an wenigen Standorten in Asien hergestellt. Produktion in Europa zu halten bzw. wieder hier aufzubauen wäre ein wichtiger mittel- bis langfristiger Schritt, um Lieferengpässen entgegenzuwirken und die Versorgung sicher zu stellen. „In Hinblick auf die bevorstehenden Monate ist es aber vor allem wichtig, Lagerbestände in Österreich aufzubauen. Wir müssen die guten Netzwerke und die hohe Kooperationsbereitschaft der vergangenen Monate nutzen, um nun gemeinsam eine Lösung zu entwickeln, wie eine stärkere Bevorratung mit Medikamenten organisiert werden kann. Entscheidend ist hier auch die entsprechende Logistik dahinter, nachdem es sich bei Arzneimitteln um sensible Produkte mit einer beschränkten Haltbarkeit handelt“, erläutert Christa Wirthumer-Hoche, Leiterin der AGES Medizinmarktaufsicht, die aktuellen Bemühungen.

3. Gesundheitskompetenz sollte verbessert werden

Alle Vertreter des Gesundheitswesens waren sich im Rahmen der Diskussion über die große Bedeutung der Gesundheitskompetenz in der Bevölkerung – der sogenannten Health Literacy – einig. „Internationale Studien zeigen, dass es um das Gesundheitswissen der Österreicherinnen und Österreicher nicht besonders gut bestellt ist. Wir müssen bei allen Maßnahmen – auch in Hinblick auf die Hygiene – die Bevölkerung noch besser mitnehmen und erklären, warum welche Maßnahmen notwendig sind und ergriffen werden. Das ist eine große Kommunikationsaufgabe, die nur alle gemeinsam meistern können. Davon hängt der Erfolg zukünftiger Pandemie-Eindämmung maßgeblich ab“, ist der Niederösterreichische Patientenanwalt Gerald Bachinger überzeugt.

4. Wichtiges Ziel: Erhöhung der Durchimpfungsrate

Ohne einen wirksamen und verträglichen Impfstoff führt langfristig kein Weg aus der Krise. Erwartet wird dieser von den Teilnehmern der Diskussion frühestens im zweiten Quartal 2021. Um dann eine hohe Durchimpfungsrate gegen Covid-19 zu erzielen, wird es notwendig sein, die Menschen möglichst rasch zu impfen. „Ein niederschwelliger Zugang zur Impfung wird jetzt wichtiger denn je. Daher haben sich die Gesundheitsreferenten der Bundesländer bereits im Mai dafür ausgesprochen, dass auch Apotheker zukünftig, nach entsprechender Qualifikation, impfen sollen. Wie stark das zu einer höheren Durchimpfungsrate beitragen kann, sieht man eindrucksvoll in anderen Ländern, wie etwa der Schweiz. Die Raten zu steigern ist im nächsten Schritt auch schon gegen die Grippe unser erklärtes Ziel. Mit nur 8 Prozent geimpften Österreichern schlummert hier großes Potenzial, das wir jetzt ausschöpfen müssen angesichts der aktuell gestiegenen Impfbereitschaft in der Bevölkerung“, betont Landesrat Eichtinger. Und Verbandspräsident Rehak ergänzt: „Wir Apothekerinnen und Apotheker gehen hier jetzt in eine Vorleistung und schaffen schon die fachlichen Voraussetzungen in Form eines Curriculums, obwohl die rechtlichen Rahmenbedingungen zur Zeit noch nicht geschaffen sind.

Quelle: Österreichischer Apothekerverband Mag. Ralph Luger – Stabstelle Kommunikation / ots  //  Fotocredit: Apothekerverband/ Philipp Huber

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