Wie sich Corona auf Österreichs Kinder und Jugendliche auswirkt

Politik am Ring - Parlamentsfraktionen diskutieren über Folgen der Pandemie für junge Menschen

Die Corona-Pandemie trifft alle Bevölkerungsgruppen. Kinder und Jugendliche haben jedoch altersgemäß spezielle Bedürfnisse und leiden anders unter der Krise. Wie kann verhindert werden, dass Österreichs Jugend in der Pandemie auf der Strecke bleibt? Darüber diskutierten gestern Abend in der Internet-TV-Sendung des Parlaments "Politik am Ring" die JugendsprecherInnen der fünf Parlamentsfraktionen mit den ExpterInnen Paul Plener von der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie im AKH Wien sowie Isabella Steger von der Bundesjugendvertretung.

Plakolm (ÖVP) fordert Perspektivenwechsel

Abgeordnete Claudia Plakolm (ÖVP) setzte sich für einen Sichtwechsel in der Corona-Krise ein. "Das Gerede über die Lost Generation verunsichert Jugendliche. Wir müssen ihnen Zukunftsperspektiven geben und wir müssen alle einen Weg finden, mit dem Virus zu leben. Den Schritt in die Normalität werden wir nur schaffen, wenn wir alle an einem Strang ziehen."

Plakolm verwies zudem auf ein regionales Gefälle bei Lehrstellen und forderte, die Lehre attraktiv zu halten. Für die ÖVP-Jugendsprecherin sind offene Schulen sowie Hochschulen eine der wichtigsten Maßnahmen. Plakolm sprach jungen Menschen auch Dank aus: "Ohne Jugendliche würde in dieser Krise nichts funktionieren, denn sie engagieren sich zu einem hohen Maß ehrenamtlich. Ehrenamtlicher Einsatz ist die beste Prävention, mit der man daneben auch soziale Kontakte leben kann."

Holzleitner (SPÖ) vermisst konkrete Zielsetzungen für die nahe Zukunft

Für Eva Maria Holzleitner (SPÖ) wurden Maßnahmen viel zu langsam umgesetzt. "Wir sind zu langsam im Ausrollen von Initiativen. Noch spricht man nicht von einer verlorenen Generation, aber wir müssen jetzt ansetzen. Wir müssen bei jeder Pressekonferenz zu Corona auch von Jugendlichen hören", so die Abgeordnete. Holzleitner setzte sich für die finanzielle Absicherung von "Rat auf Draht" ein, denn das sei eine wichtige Hotline für Jugendliche. "Wir müssen jetzt was tun, nicht erst im Sommer. Maßnahmen müssen so kommuniziert werden, dass sie für Kinder und Jugendliche verständlich sind", so Holzleitner, "ebenso dürfen keine Hoffnungen genommen werden."

Schnedlitz (FPÖ): Für das Virus kann man niemanden die Verantwortung geben, wohl aber für die Handhabung damit

Abgeordneter Michael Schnedlitz (FPÖ) war der Ansicht, dass vielen jungen Menschen die Hoffnung schon genommen worden sei. "Ich spreche von der zur Zeit vernachlässigten Generation", so der Jugendsprecher, "das Wichtigste, was wir zurückgeben müssen, ist, dass Kinder wieder Hoffnung haben und eine Zukunft. Da wird derzeit versagt".

Schnedlitz war darüber hinaus der Ansicht, dass die positiven Zahlen bei Testungen eher gering seien, daher könnte man zum Beispiel überlegen, Sportvereine für Kinder und Jugendliche wieder zu öffnen. "Es braucht schnellstmöglich Möglichkeiten, dass Jugendliche wieder zu altersadäquaten Erfahrungen kommen", wies Schnedlitz dem Sport erhöhte Wichtigkeit zu.

"Die Zeit des Redens ist vorbei. Regierungspolitiker sind nicht da, um zu fordern, sondern um zu handeln", so der FPÖ-Jugendsprecher.

Neßler (Grüne): Wir müssen auch die psychosozialen Folgen bei jungen Menschen angehen

Barbara Neßler (Grüne) ortete das Fehlen von Ritualen wie etwa das Feiern von Festen wie Fasching. Als großes Problem für die Jugend sei, dass diese derzeit auf sehr viel verzichten müsse.Für Neßler war aber auch klar: "Die Jugend ist in der Krise. Sie lernt aber, mit der Krise umzugehen, und erwirbt daneben massiv digitale Fähigkeiten. Corona geht vorbei, die Klimakrise bleibt aber."

Die Jugendsprecherin der Grünen verwies auch auf die sozialökonomische Lebensbilanz, wenn Jugendliche keine Chancen bekommen. Denn ein verspäteter Arbeitsbeginn wirke sich schließlich auch auf Pensionszeiten aus. Corona sei wie ein Vergrößerungsglas, das Probleme erst richtig aufdeckt.

Shetty (NEOS): Corona wie ein Damoklesschwert für Jugendliche

Für den jüngsten Abgeordneten im Parlament, Yannick Shetty (NEOS), schwebt Corona wie ein Damoklesschwert über Jugendliche. "Die Fakten, die am Tisch liegen, sind erschreckend. Wir sehen, dass die Triage in der Kinder- und Jugendpsychiatrie Realität ist, das muss uns doch zu denken gehen", rief Shetty ins Bewusstsein.

Shetty vermisst eine Lobby für Kinder und Jugendliche in der Politik. "Der verschärfte Blick ist notwendig, den vermisse ich bei der Bundesregierung. Wir haben einen hohen Anstieg bei jugendlichen Arbeitssuchenden. Wir brauchen einen Plan, wie wir die toxische Langzeitarbeitslosigkeit verhindern können", so der Jugendsprecher. Notwendige Sofortmaßnahmen seien für ihn, Sport möglichst rasch wieder zu ermöglichen und Freiräume zu schaffen.

Plener: Triage in der Kinder- und Jugendpsychatrie bereits Realität

Der Leiter der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie im AKH Wien Paul Plener wies darauf hin, dass soziale Kontakte in der Altersstufe zwischen 15 und 25 eine große Rolle spielen. Schwere depressiven Störungen bis hin zur Selbstmordabsicht sowie schwere Essstörungen seien seit Jahresbeginn massiv angestiegen. "Wir stehen schon jetzt vor einer Triage in der Psychiatrie", so Plener. Bereits jetzt müssten Jugendliche vorgezogen werden, die akut gefährdet seien und teilweise müssten Kinder sehr lange warten.

Plener forderte, mehr in die Kinder- und Jugendarbeit sowie -bildung zu investieren sowie eine Gewichtung beim Setzen notwendiger Corona-Maßnahmen. "Zahlen sind wichtig, aber wir müssen schauen, was noch wichtig ist." Man müsse auf die Grundfesten der psychischen Gesundheit großen Wert legen. Dazu gehören fixe Tagesabläufe, aus dem Haus zu gehen, Sport zu machen und soziale Kontakte aufrechtzuerhalten.

Steger: Kinder und Jugendliche müssen höchste Priorität haben

Isabella Steger von der Bundesjugendvertretung betonte, dass präventive Konzepte entscheidend seien, denn es könne frühzeitig viel abgefangen werden. Dabei komme der außerschulischen Jugendarbeit ein großer Stellenwert zu, denn sie gebe Routine und sie sei ein Auffangnetz, wo Jugendliche einfach sie selbst sein können. Allen Jugendlichen gemeinsam sei derzeit das Fehlen sozialer Kontakte. Steger forderte, dass Kinder und Jugendliche in der Krise höchste Priorität haben müssen, auch das Thema Lehre sollte mehr in den Blickpunkt rücken.

Zudem müsse die Jugendförderung inflationsangepasst werden, denn der Verlust bei Kinder- und Jugendorganisationen liege bei derzeit 40%. Beim Thema Schulen sprach sich Steger dafür aus, dass diese nicht wieder geschlossen werden, denn "wenn es so weitergeht, haben wir es mit enormen psychischen Auswirkungen zu tun". Seit Herbst sei auch die Skepsis der Jugendlichen gegenüber der Politik größer geworden, weil sich viele nicht mehr mit den Maßnahmen auskennen würden.

Die nächste Sendung von "Politik am Ring" findet am Montag, dem 15. März 2021, statt. Sie wird wieder live ab 21 Uhr in der Mediathek des Parlaments übertragen. Alle Folgen der Sendung sind dort dauerhaft abrufbar.

Quelle: Pressedienst der Parlamentsdirektion,ots  //  Fotocredit: © Parlamentsdirektion / Thomas Topf

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